Impuls von Christiane Rösel und René Winkler: Was eure Herzenswünsche mit uns machen
Impuls von Christiane Rösel und René Winkler: Was eure Herzenswünsche mit uns machen

Was eure Herzenswünsche mit uns machen

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Impuls von Christiane Rösel und René Winkler

Christiane Rösel und René Winkler gehören zu der Generation, die Johanna Schwarz und Felix Padur (beide EC-West) bei einem Kongress für die Generation Babyboomer mit vier herausfordernden Sätzen angesprochen haben. So reagieren sie auf die vier Sätze.

„Bleibt dabei!“ – die Reaktion von René

Ich bin überrascht, wie sehr mich dieses „Bleibt dabei!“ berührt. Als Johanna und Felix es uns Babyboomern von der Bühne sagten, trieb es mir Tränen in die Augen. Ich habe es persönlich genommen. Dass ich als Person gemeint bin, ist mir zu Herzen gegangen und hat meinen kühlen Kopf, der viel über Grundbedürfnisse von Menschen
weiß, einfach übersprungen. Als Mitarbeiter an einem Theologischen Seminar bin ich es gewohnt, mit vielen jungen Leuten unterwegs zu sein – mit den einen persönlicher als mit den anderen. Und doch spüre ich innerlich immer wieder einmal meine Unsicherheit, wie ich denn für sie wirklich hilfreich sein könnte. Zum Beispiel, wenn keiner was von mir will – an einem gemeinsamen Fest, nach einem Gottesdienst oder während gemeinsamen Auszeiten. Mein Kopf weiß das alles einzuordnen. Mein Herz manchmal nicht.

Dabeibleiben und praktisch mithelfen, wo Not am Mann ist, das ist einfach. Das kann fast jeder, wenn man ihm sagt oder zeigt, was zu tun ist. Aber es ist nicht das, was unser Dabeibleiben sinnvoll macht. Dableiben und sich nützlich machen ist zu wenig. Ich möchte verstehen, was euch Jüngeren wichtig ist, wofür ihr lebt, was euch antreibt, was euch schmerzt, was ihr befürchtet, nach welchen Wirkungen eures Engagements ihr Ausschau haltet. Wenn ich das verstehe, kann ich herzhaft dabeibleiben und euch ein Verbündeter werden. Das selbst dann, wenn ich die Art und Weise, wie ihr es anpackt, mir auch mal fremd ist. Und ich möchte, dass ihr auch versteht, was mich bewegt, demotiviert oder belebt.

„Zeigt uns, wie man lebt!“ – die Reaktion von Christiane

„Seid Vorbilder!“ Das habe ich gehört. Aber welche Vorbilder habe ich selbst, wenn ich an das „dritte Drittel“ meines Lebens denke? Beispiele, die mich locken? Natürlich lerne ich auch davon, was mich abschreckt. Auf keinen Fall möchte ich eine verbitterte und „mürrische alte Dame“ werden! Aber was bringt mich auf eine gute Spur? Wie werde ich zu einem Vorbild, das den Namen verdient? Drei Gedanken, die ihr bei mir ausgelöst habt:

Es geht nicht nur um mich, wenn ich an die kommenden Jahre denke. Mein eigenes Älterwerden hat auch eine Signalwirkung auf die kommenden Generationen. Diese Erinnerung tut mir gut. „Um wen geht es?“ Diese Frage hilft mir, nicht in der Selbstbeschau zu landen.

Wo ist jetzt mein Platz und wo mache ich Platz? Diese Fragen erlebe ich als wesentlich in diesem Übergang. Und beide haben ihre Berechtigung und ihre Herausforderung. Platz machen hat auch etwas mit Verlust zu tun. Dazu gehören Schritte, die mich etwas kosten. So habe ich mit Ende Fünfzig im Redaktionskreis der Zeitschrift JOYCE aufgehört, und das ist mir richtig schwergefallen. Andrerseits eröffnen sich auch neue Möglichkeiten – aber meistens passiert das nicht einfach von selbst. Wie begleiten wir einander auf diesem Weg?

Meine Bitte: Ein weites Herz! Ein Herz, in dem auch das Platz hat, was ich nicht verstehe. Wo Menschen und Situationen so sein dürfen, wie sie sind. Ein Herz, das nicht vorschnell bewertet. Bei der rasanten Veränderung in unserer Gesellschaft braucht man keine prophetische Ader, um zu vermuten, dass der Anteil des Lebens, den ich nicht verstehe, zunimmt. Damit gut und weise umzugehen braucht ganz sicher ein weites Herz – und darum bitte ich immer wieder einmal. Andrerseits gilt es auch ganz praktisch zu lernen, zunächst zuzuhören und gute Fragen zu stellen, um echte Gespräche zu eröffnen. Das fordert mich heraus, dem will ich mich stellen.

„Versöhnt euch!“ – die Reaktion von René

Dass euch aber die Unversöhnlichkeit unserer Generation auffällt, macht mich betroffen. Es gibt ja Dutzende andere Themen, die ihr aus gutem Grund an unsere Generation adressieren könntet. Die Ermahnung zur Versöhnung ist euch wichtiger als anderes. Das muss ich erst mal sacken lassen. Im Rückblick auf die Auseinandersetzungen und Bruchgeschichten, an denen ich persönlich beteiligt war, weiß ich, dass ich anderen vergeben und die Tür zur Versöhnung geöffnet habe. Da und dort hat die Versöhnung auch Gestalt angenommen. Im Blick auf mich selbst bin ich also nicht unsicher, wenigstens nicht spürbar und bewusst. Mich interessiert trotzdem brennend, woran Johanna und Felix die „Unversöhnlichkeit unserer Generation“ festmachen. Wahrnehmung ist immer begrenzt. Und es kann sehr wohl sein, dass einem selbst das Ungute gar nicht mehr auffällt, weil man sich daran gewöhnt hat.

Sind wir Babyboomer so sehr Kinder unserer Zeit, dass wir einander einfach machen lassen, auch wenn etwas offensichtlich verkehrt ist? Unser Verständnis von Toleranz ist wohl öfter mal eher ein Ausdruck von bequemer Gleichgültigkeit und Selbstschutz statt von Liebe. Die nächste Generation, die darauf angewiesen ist, dass wir Wesentliches vorleben, damit sie es sich konkret vorstellen und nachahmen kann, hält uns den Spiegel vor und mahnt uns zur Versöhnung. Es ist eine Chance für uns, jetzt konkret zu werden. Am besten so: Wir Babyboomer fragen die „Johannas und Felix“ der nächsten Generation: Was nehmt ihr an Versöhnung und Unversöhnlichkeit wahr bei uns? Bitte sagt es konkret! Es kann für uns ernüchternd sein und weh tun. Aber es wird heilsam sein.

„Seid nicht so hart!“ – die Reaktion von Christiane

„Seid nicht so hart zu euch selbst und seid nicht so hart zu anderen!“ Dieser Satz hat bei mir eingeschlagen. Disziplin, Härte, etwas „durchziehen“ zu wollen oder zu müssen, das hat uns als Generation und auch mich persönlich geprägt. Wir waren immer viele, da brauchte man schon einen gewissen Einsatz, wenn etwas gelingen sollte.

Nicht gleich aufzugeben und durchzuhalten sind aus meiner Sicht auch keine schlechten Werte! Aber es gibt sie, die Kehrseite der Medaille: Wenn aus Disziplin Härte wird. Wir ziehen es durch – unter allen Umständen, Ich höre erst auf, wenn ich fertig bin – und zwar „fertig“ in des Wortes doppelter Bedeutung. Dann wird Perfektion zum Lebensmuster, oft mit einer sehr unbarmherzigen Schlagseite, Wenn ich das, was ich von mir erwarte, automatisch als Maßstab an andere anlege. Dann sind Aufgaben und Projekte viel mehr als nur eine Arbeit, die es zu erledigen gilt.

Ich wünschte, es wäre anders, aber dieser „Perfektionismus“ zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben – und durch das Leben von einigen anderen aus meiner Generation. Gründe gibt es viele. Manches habe ich erkannt und bearbeitet. Aber an dieser Stelle muss ich weiter aufpassen, „nicht in die Falle zu laufen“ und barmherzig zu sein – mit anderen und mit mir selbst.

Zum Schluss

Wir empfinden, dass der Generationen-Dialog zwischen Millennials und Boomern gelungen ist. Es wurde Klartext geredet. Aber der Schlüssel liegt für uns darin, wie Johanna und Felix mit uns geredet haben: Sie haben keine Forderungen gestellt, sondern „Herzschläge“ und Erfahrungen geteilt und sehr konkrete Wünsche formuliert. Wir haben gespürt, sie wollen dieses Miteinander. Das hat „Türen“ geöffnet und eine große Resonanz ausgelöst.

Dieser Text wurde in der Zeitschrift AUFATMEN, Ausgabe 4/25, veröffentlicht. Dort werden auch die vier Sätze von Johanna Schwarz und Felix Padur näher erläutert. Gerne werben wir für die Zeitschrift AUFATMEN, die uns immer wieder inspiriert.


Christiane Rösel

Autorin: Christiane Rösel, Gastgeberin des Podcasts Vorwärtsleben, Autorin und Referentin

René Winkler

Autor: René Winkler, Gastgeber des Podcasts Vorwärtsleben und Leiter der Akademie GenerationPLUS des Theologischen Seminars St. Chrischona (TSC)

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